NZZ – Michael Ferber
Millennials hinterfragen finanzielle Entscheide ihrer Eltern und fordern mehr Kommunikation ein. Für viele Nachkommen wohlhabender Familien ist das Vermögen auch eine Last. Dies sorgt für Herausforderungen.
In der Schweiz werden in jedem Jahr 60 bis 70 Mrd. Fr. an Vermögen vererbt. Die Übergabe dieser Gelder von einer auf die nächste Generation birgt einige Herausforderungen. Zudem «ticken» die jüngeren Generationen der Millennials (Jahrgänge 1981 bis 1996) und der Generation Z (Jahrgänge 1997 bis 2010) in Finanzangelegenheiten in mancherlei Hinsicht anders als ihre Eltern – und hinterfragen deren Anlageentscheide. Darin sind sich Spezialisten im Bereich Family Governance einig, und auch mehrere jüngst erschienene Publikationen zeigen dies.
Tabus um das liebe Geld
Bei vielen dieser Familien handelt es sich um Unternehmerfamilien. Die Übergabe des Unternehmens und der Vermögen stellt diese oftmals vor grosse Herausforderungen, wie eine Publikation der Credit Suisse und der Young Investors Organisation (YIO) – eines globalen Netzwerks von jungen Mitgliedern aus einflussreichen Unternehmerfamilien – zeigt. Dazu wurden im vergangenen Jahr mehr als 200 Mitglieder der YIO und ihrer Familien befragt.
Auch in einigen wohlhabenden Familien scheint Geld bis zu einem gewissen Grad als Tabuthema behandelt zu werden. Jedenfalls wünschen sich laut der Publikation viele der jüngeren Mitglieder dieser Familien – im Finanzjargon als «next generation» bezeichnet – einen verstärkten generationenübergreifenden Dialog. 59% der Befragten gaben an, sie würden in der Familie gerne offener über Vermögen sprechen. Mehr als zwei Drittel von ihnen gingen davon aus, dass ihre Familien von einer gesteigerten Kommunikation profitieren würden.
Respekt und Toleranz nötig
Es sei oftmals eine grosse Herausforderung, dass die zwei oder möglicherweise drei Generationen zusammen an einen Tisch sitzen und das Thema Vermögensübergabe besprechen, sagt Vanessa Fasciati, Spezialistin für Family Governance bei dem Unternehmen Marcuard Family Office. Es sei wichtig, dass die Generationen sich auf gemeinsame Familienwerte einigten und sich tolerant und respektvoll gegenübereinander zeigten. Bei diesem Prozess sei es wichtig, Klarheit darüber zu erlangen, was die Familie mit dem Vermögen überhaupt erreichen wolle und welche Risiken gegebenenfalls damit verbunden seien. Ein externer Moderator sei in diesem Prozess oftmals hilfreich.
Bei der Verwaltung der Vermögen treten ebenfalls unterschiedliche Ansichten zwischen den Generationen zutage. Den Millennials wird oftmals ein überproportionales Interesse an nachhaltigen Anlagen zugeschrieben. In der Umfrage von CS und YIO gaben 27% der Befragten an, für ihr Vermächtnis sei es ihr Ziel, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu hinterlassen. 86% der Befragten teilten mit, Interesse an Anlageprodukten aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Impact Investing zu haben. Allerdings zeigt die Untersuchung auch, dass die Produkte in der Praxis von den YIO-Mitgliedern noch vergleichsweise wenig angewandt werden – nur 24% gaben an, tatsächlich in solchen Anlageprodukten investiert zu sein.
Vermögen als Last
In der Praxis sei zu beobachten, dass Millennials oftmals die Anlageentscheide ihrer Eltern hinterfragten, sagt Fasciati. Die GenerationY sei oftmals bei Vermögensanlagen idealistischer eingestellt und wolle mit ihren Investitionen auch etwas Gutes bewirken. Allerdings stelle sich hierbei die Frage, inwieweit dies mit dem Alter erklärbar sei. Jedenfalls sind die Vorlieben der «next generation» für Finanzinstitute sehr relevant. Bereits heute spielten 39% der Befragten eine aktive Rolle bei der Verwaltung des Familienvermögens, heisst es in der Studie von CS und YIO. 97% sind daran interessiert, hier aktiv mitzuwirken.
Dass das Erbe für die Sprösslinge wohlhabender Familien zwar Freiheit bedeutet, aber auch eine gewisse Bürde, wird in der Studie ebenfalls deutlich. 45% der Befragten gaben jedenfalls an, sie empfänden die Erwartungen ihrer Familie des Öfteren als Last. Bei vielen wohlhabenden Familien werde der Druck auf die jüngere Generation unterschätzt, sagt Fasciati. Dabei sei die Chance, ähnlich erfolgreich zu werden wie die Eltern, statistisch gesehen relativ klein.
Gleichzeitig werde der Nachwuchs oftmals nicht besonders gut und nicht früh genug für seine kommende Verantwortung ausgebildet. Die Übergänge bei der Vermögensübergabe seien oft zu abrupt, sagt Fasciati. Der jungen Generation werde zu wenig die Chance gegeben, schrittweise in eine Aufgabe hineinzuwachsen – beispielsweise durch die Mitgliedschaft in einem Anlage-Komitee oder die Möglichkeit, hier in einer beobachtenden Rolle teilzunehmen.
Nicht immer geht es harmonisch zu
Oftmals kommt es auch zu Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft von Unternehmen. Dies zeigt die Studie von CS und YIO anhand des Beispiels des thailändischen Familienunternehmens KTIS Group, eines Zuckerherstellers. Hier gab es Differenzen zwischen dem Patron und seiner Tochter, die in das Management geholt wurde. Dabei ging es vorallem darum, ob die Firma an die Börse gebracht werden solle oder nicht.
Am Ende überzeugte die Tochter den Vater, dass es für die langfristige Zukunft der Firma das Beste wäre, wenn diese kotiert wäre – und so ging KTIS 2014 in Thailand an die Börse. Die KTIS Group sei ein Beispiel dafür, wie die Einheit der Familie bewahrt werden könne, auch wenn einzelne Mitglieder in Kernfragen unterschiedlicher Meinung seien, heisst es in der Publikation. In solchen Fällen sei es sinnvoll, darüber nachzudenken, was das eigentliche Ziel der Familie mit dem Unternehmen sei. Auch wenn die verschiedenen Generationen unterschiedliche Arbeitsmethoden hätten, sei die Vision oft dieselbe. Zudem heisse Familieneinheit nicht unbedingt immer Familienharmonie.