Wie gelingt in wohlhabenden Familien die Übergabe des Vermögens von einer Generation zur nächsten? Ein neues Buch liefert Leitlinien zu dieser Frage.
NZZ – Michael Ferber
Darüber, wie Geld am besten verwaltet wird, gibt es viel Literatur – darüber, wie eine Vermögensübergabe von einer Generation zur nächsten gelingt, deutlich weniger. In einem Land wie der Schweiz, das ein Zentrum der Vermögensverwaltung ist und in dem jedes Jahr zwischen 60 und 70 Milliarden Franken vererbt werden, stellt dies eine Lücke dar. Jorge Frey und Eugen Stamm haben für ihr Buch «Von Geld und Werten» Gespräche mit dreissig Vertretern von vermögenden Schweizer Familien geführt, um Erfolgskriterien für die Vermögensübergabe herauszuarbeiten.
Grosser Erfolgsdruck für die Jüngeren
Das Schlagwort hierbei lautet Family Governance. Dabei geht es laut den Verfassern um die Aufgabe einer vermögenden Familie, «sich darüber zu einigen, wie sie mit ihrem Vermögen umgehen will, was es für sie bedeutet und welchen Zweck es hat». Dieses familiäre Einverständnis soll die Basis für die Verwaltung des Vermögens bilden und bei Konflikten Lösungen ermöglichen.
Normalsterbliche Leserinnen und Leser mögen diese Thematik als Luxusproblem abtun. Doch das Buch zeigt immer wieder anhand von Praxisbeispielen, wie grosse Vermögen Familien auseinanderdividieren können. Reichtum liefert nicht nur Freiheit, sondern kann auch zu einer Last werden. Dies gilt unter anderem für den Nachwuchs.
So ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser so erfolgreich wird wie seine Vorfahren, statistisch gesehen klein, die Erwartungen an ihn sind aber oftmals hoch. Ein Interviewter beschreibt es als Last, dass er als Kind von einem Chauffeur in die Schule gefahren worden sei und nach dem Unterricht im Winter nicht mit den anderen Kindern habe Schlitten fahren können, weil dieser schon auf ihn gewartet habe.
Abschottungs-Trend bei Wohlhabenden
Zwar wachsen in der Schweiz viele Kinder vermögender Familien ähnlich auf wie jene von Familien mit durchschnittlichen Einkommen, doch laut Frey und Stamm ist in den letzten Jahren auch hierzulande mancherorts bei Vermögenden eine Tendenz hin zur Abschottung zu beobachten.
Die beiden Autoren schmücken ihre Ausführungen zu einer guten Family Governance mit allerhand konkreten Beispielen aus. Frey und Stamm liefern einige Leitlinien, wie die Vermögensübergabe gelingen kann. Sie empfehlen vermögenden Eltern, ihre Kinder in normalen Verhältnissen aufwachsen zu lassen, damit diese ihren eigenen Weg gehen können und dieser nicht gleich als rasanter Abstieg empfunden wird. Zudem sollten die Eltern ein Vorbild im sorgsamen Umgang mit Vermögen sein und ihren Nachwuchs im Umgang mit Geld entsprechend ausbilden.
Als wichtig gilt auch eine offene Kommunikation unter den Familienmitgliedern, gegenseitiger Respekt und die Vereinbarung gemeinsamer Werte, die sich möglicherweise in einem Familienleitbild äussern. Des Weiteren sollte die Nachlassplanung frühzeitig erfolgen, die Nachkommen einbeziehen, frei von erzieherischen Massnahmen sein und alle Nachfahren gleich behandeln.
Jorge Frey, Eugen Stamm: Von Geld und Werten. Ungeschriebene Gesetze für eine erfolgreiche Vermögensübergabe. NZZ Libro, Zürich 2019. 176 S., 34 Fr.