NZZ – Eugen Stamm
Wie kann man den Nachkommen einen gesunden Umgang mit Luxus beibringen? Darüber sollten sich Vermögende Gedanken machen, wenn sie mehr als nur Geld weitergeben wollen.
Wie man seinen Nachkommen ein möglichst grosses und intaktes Vermögen weitergibt, darüber zerbrechen sich viele Bankberater den Kopf. Wie steht es aber mit der Frage nach dem Wozu? Ein Chef einer Firma, die Dutzende Milliarden Dollar verwaltet, hat in einem persönlichen Gespräch einmal offenbart, er habe sich noch nie darüber Gedanken gemacht, welche Werte im Umgang mit Geld er seinen Kindern vermitteln will. Es sei aber eine gute Frage, schob er verlegen nach.
Man kann sie auch umformulieren: Braucht die nächste Generation von der heutigen überhaupt eine Anleitung im Umgang mit Geld oder nicht? Vieles spricht dafür. Indem man seine eigenen Erfahrungen mit den Nachkommen teilt, festigt man den Familiensinn. Schliesslich hat jedes Vermögen, egal ob gross oder klein, eine bestimmte Herkunft und trägt in sich schon ein Erfolgsgeheimnis, ob das nun Fleiss, Talent, Sparsamkeit, ein erfolgreiches Geschäftsleben oder etwas anderes ist.
Sich selber zu fragen, welche Einstellung man selber von seinen Eltern übernommen hat und welche man gerne an seine Kinder weitergeben würde, hat für sich alleine schon eine gewisse Wirkung. Kann man die eigenen Werte benennen, ist es einfacher, über sie zu reden.
Dies wiederum kann hilfreich sein, wenn es um die Vorbereitung des Vermögenstransfers an die nächste Generation geht. Niemand wünscht sich, dass eines Tages zwischen den Erben Streit ausbricht, und trotzdem schreiben viele im einsamen Kämmerchen Vorgaben und Bestimmungen in ihr Testament, die genau dazu führen.
Vermögende Familien haben dies erkannt und verwenden auch in der Schweiz vermehrt das Instrument der Family Governance, um solches zu verhindern. Darunter versteht man einen Prozess unter sachkundiger Anleitung eines Beraters. Ziel ist, innerhalb der Familie einen Konsens herzustellen über Verwendung und Aufteilung des Vermögens und vor allem eben auch über die Werte, die allen Familienmitgliedern wichtig sind. Bedeutet Vermögen vor allem Sicherheit, oder sieht man es als Möglichkeit, in riskante Projekte zu investieren, weil man Verluste eher verkraftet? Was denken die anderen darüber? Wie geht man damit um, wenn die Eltern immer bescheiden gelebt haben, ein Nachkomme aber findet, man solle doch endlich einmal mehr das Leben geniessen, wenn man es doch vermag? Ein scherzhafter Us-erbrechtler hatte dem Vernehmen nach ein Plakat in seiner Kanzlei, auf dem stand: «Fliegen Sie First Class, denn Ihre Erben werden es tun.»
Zum Family-governance-prozess gehört auch, die Heranwachsenden rechtzeitig über die Vermögenslage zu informieren und ihnen, ab einem bestimmten Alter, auch ein Mitspracherecht einzuräumen, um ihr Interesse zu wecken.
Wie Beispiele aus dem Buch «Family Governance: Von Geld und Werten», das im Frühling 2019 im NZZ Libro Verlag erscheint, zeigen, unterscheidet sich das Leben von Vermögenden in der Schweiz manchmal deutlich vom Bild, das sich die Öffentlichkeit ausmalt.
Ein Unternehmer schildert, das Wichtigste, was sein Vater ihn gelehrt habe, sei ein fairer Umgang mit Angestellten und Geschäftspartnern; ein teures Auto oder teure Kleider würde er, der täglich im Betrieb präsent ist, sich nie kaufen.
Ein Ehepaar erklärt, dass ihnen soziales Engagement sehr wichtig sei. Sie haben einen zweistelligen Millionenbetrag für wohltätige Zwecke reserviert. Sie binden ihre erwachsenen Kinder und Enkelkinder in den Entscheidungsprozess, welche Projekte sie unterstützen wollen, vollwertig ein. In einem Familienleitbild haben sie festgehalten, für welche Werte sie einstehen.
Ein anderer Patron sagt, sein Vermögen erlaube ihm, den Verzicht auf materielle Dinge zu geniessen. Er wolle nicht dauernd neuen Sachen nachrennen; die Gewissheit, sie sich kaufen zu können, wenn er nur wollte, reiche ihm schon.
Aus Beispielen kann man zwar lernen, die eigene Einstellung muss sich aber jeder selber verdeutlichen.